Was ist ein Kleingarten?
Kleingärtnerische Nutzung – Rechte durch Pflichten
Es gibt nicht viele Freizeitaktivitäten, die wie das Kleingartenwesen gesetzlichen Schutz genießen.
Dieses Privileg gründet sich aus den geschichtlichen Wurzeln der Kleingartenbewegung:
- 1798 schuf Landgraf Carl von Hessen auf seinen Gütern die erste Grabelandanlage zur besseren Versorgung materiell schlecht gestellter Familien mit Nahrungsmitteln aus eigenem Anbau
- Um 1800 führt die einsetzende Industrialisierung zur Verschlechterung der Lebens- und Gesundheitsbedingungen der Arbeiter in den rasch wachsenden Ballungsgebieten, erste „Arbeitergärten“, teilweise auf betriebseigene Flächen
- Der Orthopäde Dr. Daniel Gottlieb Moritz Schreber (1808-1861) regt die Einrichtung von Spiel- und Turnplätzen zur Gesundheitsförderung auch für Kinder und Jugendliche an
- Gesundheitsvereine propagieren eine naturgemäße Lebensführung und legen teilweise Gärten für ihre Mitglieder an
- 1868 lässt der pensionierte Oberlehrer Karl Gesell (1800-1879) die ersten Kinderbeete auf einem Spielplatz in Leipzig anlegen, deren Pflege jedoch bald von den Eltern übernommen wird
- 1870 erfolgt eine Einteilung in Parzellen sowie der Bau einer Umzäunung und kleiner Lauben
Das Kleingartenwesen begründet sich folglich aus Bestrebungen zur Gesunderhaltung der Bevölkerung durch Eigenversorgung mit hochwertigem Obst und Gemüse und der Erholungs- bzw. Regenerationswirkung des Aufenthaltes im Garten.
Rechte …
Das Bundeskleingartengesetz hat den Zweck, die Ausweisung von Kleingartenflächen zu erleichtern und den Bestand von Anlagen zu sichern.
Dies wird u.a. erreicht durch folgende Bestimmungen:
I. Klare Definition eines Kleingartens:
- Kleingartenflächen sind immer Pachtland (Kommunen, Verbände oder Privateigentümer)
- Mehrere Einzelparzellen sind zu einer Anlage zusammengefasst
- Anbau von Nahrungsmitteln für den Eigenbedarf, keine gewerbliche Nutzung
- Größe maximal 400 m² (bei uns üblich sind 300 m²)
- Laube in einfacher Ausführung, nicht zum dauernden Wohnen ausgestattet, nicht mehr als 24 m² überbaute Fläche einschließlich (überdachtem) Freisitz
- Keine Stromversorgung der Einzelparzellen (Arbeitsstrom mit „Zapfstellen“ möglich), kein Wasser- und Abwasseranschluss in Laube, keine WCs (sofern Gemeinschaftstoilettenanlage vorhanden ist, sonst ggf. Trocken-/Komposttoiletten, wo erlaubt!), keine Heizung
- Parzellenausstattung gilt als nicht fest mit dem Boden verbunden, auch Laube u.a. Baulichkeiten sowie Bepflanzung (im Gegensatz zu sonstigem Pachtland, vgl. Bundesgesetzbuch und sind bei Parzellenaufgabe theoretisch zu räumen (üblich aber Verkauf an Neupächter nach Wertermittlung)
- Keine Tierhaltung (Bienenhaltung kann auf Antrag vom Verein zugelassen werden)
II. Unbefristete Pachtverträge
III. Pachtpreisbegrenzung auf das 4-fache des ortsüblichen Pachtpreises für Erwerbsobst- und Gemüsebau (zumindest theoretisch)
IV. Stundung von Erschließungsgebühren durch die Kommune solange die Kleingärtnerische Gemeinnützigkeit besteht
V. Hohe Hürden bei Inanspruchnahme der Anlage für andere Zwecke (Ersatzlandbeschaffung)
Kleingärten sind daher besonders für die finanziell schlechter gestellte Bevölkerungsschicht wie auch junge Familien wichtig, die sich kein Eigentum leisten können.
Dies ist bei der Ausstattung der Parzellen zu beachten und findet auch seinen Niederschlag in den Regelwerken der Kleingartenverbände (Gartenordnungen, Wertermittlungsrichtlinien).
… und Pflichten:
VI. Einhaltung der Kleingärtnerischen Nutzung durch die Pächter („Drittelnutzung“ der Parzellenfläche)
Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 17.06.2004 bedeutet dies:
1. Mindestens ein Drittel der (Anlagen)Fläche wird für den Anbau von Gartenerzeugnissen genutzt (Obst und Gemüse) und damit
2. prägt die Gewinnung von Gartenerzeugnissen den Charakter der Anlage maßgeblich.
Diese beiden Hauptkriterien werden als wesentliche Unterscheidungsmerkmale einer Kleingartenanlage gegenüber Wochenendhausflächen u.a. genannt.
Bedeutung für die Praxis:
Zwar wird in dem BGH-Urteil nur auf die Gesamtfläche der Anlage abgehoben (und damit einschließlich der Gemeinschaftsflächen), aber durch den Grundsatz der Gleichbehandlung der einzelnen Pächter ist dieselbe Flächennutzung zwangsläufig auch auf die einzelnen Parzellen zu übertragen, es sei denn, dass dies aufgrund „höherer Gewalt“ wie ungünstige Bodenverhältnisse, Schattenwurf von Umgebung, etc. nicht praktikabel ist.
Da Kulturenvielfalt gefordert wird („Gewinnung von Gartenerzeugnissen für den Eigenbedarf“), muss das Nutzgarten-Flächendrittel jeder Parzelle Obst- und Gemüsebau enthalten, d.h., mindestens die Hälfte der Nutzgartenfläche muss aus Gemüsebeeten bestehen, die restliche Nutzgartenfläche kann mit Obstbäumen und Beerensträuchern bepflanzt werden.
Ein konkretes Zahlenbeispiel:
Parzellenfläche 300 m², d.h. 1 / 3 davon = 100 m² Nutzgartenfläche,
davon mindestens 1 / 2 = 50 m² Gemüsebeete und 50 m² „Restfläche“ Obstbau
Ein weiteres Flächendrittel kann Ziergarten (Ziergehölze, Rabatten, Rasen) sein, das letzte dient Erholungszwecken (Laube, Aufenthaltsflächen, etc.).
VII. Weitere aus der „kleingärtnerischen Nutzung“ resultierende Vorgaben
- Beachtung sonstiger Nutzungseinschränkungen (keine großwüchsigen Gehölze, keine Einseitigkeiten in der Bepflanzung)
- Keine Beeinträchtigung der kleingärtnerischen Nutzung der Nachbarparzellen z.B. durch zu geringe Grenzabstände von Baulichkeiten oder Pflanzen, Einhaltung der Ruhezeiten, etc. (Gartenordnung)
- Laube in einfacher Ausführung, „Idealfall“ (Empfehlung):
Punktfundamente, einschalige Holz-Ständerbauweise, Aufenthaltsraum maximal 9 m², Geräteraum 3 m², weder Wasser- noch Stromversorgung, keine Abwasserentsorgung (Toiletten!), keine Heizung, nur einfache Innenausstattung (wird bei Wertermittlung nicht berücksichtigt). Maßgeblich für Größe und Bauausführung der Laube sind immer der Bebauungsplan bzw. sonstige örtliche Vorgaben (Pachtvertrag, Gartenordnung).
Die Laube ist nur Hilfsmittel zur kleingärtnerischen Nutzung (Unterstand, Geräteaufbewahrung) und keine Immobilie (keine Wertsteigerung, sondern Abschreibung)!
VIII. Berücksichtigung sozialer Kriterien (Einkommen, Kinder) bei Parzellenvergabe durch Verein
IX. Wertermittlung nach Richtlinien bei Parzellenübergabe
X. Einhaltung der Kleingärtnerischen Gemeinnützigkeit durch den Verein
- Organisationsform eingetragener Verein
- Satzung weist als Hauptzweck des Vereins die Förderung des Kleingartenwesens aus
- Einnahmen werden nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet
- Bei Auflösung des Vereins wird das Vermögen für kleingärtnerische Zwecke verwendet